Studententheater Brig überzeugt mit «Kasimir und Karoline» – und macht gleichzeitig betroffen
Die Premiere des Briger Studententheaters lief erfolgreich über die Bühne. Das Ensemble zeigte eindrückliche Leistungen.
«Liebe Zuschauer*innen, unser Bühnenbild besteht aus einem Abfallprodukt.»
Mit diesen Worten, die an einen Vorhang projiziert werden, beginnt die Inszenierung von «Kasimir und Karoline», dem diesjährigen Studententheater des Briger Kollegiums. Elf Schülerinnen und Schülern führen das Volksstück aus dem Jahre 1932 von Ödön von Horváth auf.
Im Vorfeld sagte Regisseurin Barbara Terpoorten, das Ensemble habe den Wunsch geäussert, ein dramatisches Stück zu spielen. Etwas, das sich mit fundamentalen Werten und Problemen der Gesellschaft befasst. Die Wahl fiel auf das eher unbekannte Werk Horváths. Ein Stück mit Schlagkraft und ungebrochener Relevanz.
Zu Beginn bewundert eine Menschenansammlung auf der Bühne einen vorbeifliegenden Zeppelin. Währenddessen laufen im Hintergrund kurze Videoausschnitte. Pannenvideos wechseln sich mit Kriegsbildern und Naturkatastrophen ab.
Das Luftschiff stand Anfang des 20. Jahrhundert für technischen Fortschritt und für Innovation. Am Bord des Zeppelins befinden sich, so erfahren die Theaterzuschauer von Kasimir, Herren der oberen Bevölkerungsschicht. Reiche Herren. Das bescheidene Volk muss die Sensation vom Boden aus verfolgen.
Diese Szene kann ohne weiteres mit den Weltraumflügen des Amerikanischen Milliardärs Jeff Bezos in Verbindung gebracht werden. Kostenpunkt für einen Flug: eine Viertelmillion Dollar. Das bescheidene Volk schaut zu.
Alles ist im Wandel begriffen
«Kasimir und Karoline» spielt an einem einzigen Abend am Oktoberfest. Kasimir, gespielt von Gabriele Barbiero, eröffnet seiner Verlobten Karoline, verkörpert von Lisa Rovina, dass er seine Stelle als Chauffeur verloren habe. Doch seine Erwartungen, dass sie deswegen auch in eine gedrückte Stimmung verfällt, werden enttäuscht. Sie bleibt heiter, will sich unter das bunte Treiben des Volksfestes mischen. Ein grosser Streit ist die Folge, während dem Karoline den Sinn der Beziehung in Frage stellt.
Im Laufe des Stücks scheinen die beiden immer wieder kurz vor der Versöhnung – nur um dann noch explosiver auseinanderzugehen. Kasimir scheint in zweifelhafte und sogar kriminelle Gesellschaft abzudriften. Währenddessen kommt Karoline dem gesellschaftlich hochstehenden Kommerzienrat Rauch näher. Dies in der Hoffnung, eine gesellschaftlich höhere Stellung zu erreichen.
Die persönlichen Dramen, die sich abspielen, spitzen sich immer mehr zu, bis schliesslich die ganze Handlung in einem exzessiven Höhepunkt kulminiert. Die Figuren scheinen an ihrem absoluten Hoch- oder Tiefpunkt angelangt zu sein. Katerstimmung neben Hochgefühl.
Oder in Karolines Worten: «Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabei gewesen.»
Nicht nur die Figuren durchlaufen im Laufe des knapp eineinhalbstündigen Theaters eine Verwandlung, sondern auch das Bühnenbild verändert sich nach und nach. Die aufgehängten Papierbahnen sind zu Beginn intakt und dienen vor allem als Projektionsfläche, werden sie später immer stärker in Mitleidenschaft gezogen.
Ein simples Bühnenbild mit grosser Wirkung. Denn durch den zeitgleichen menschlichen, wie auch materiellen Zerfall wird die Aussage des Stücks auf eindrückliche Weise unterstrichen.
Grosse schauspielerische Leistungen
Die fünf Schauspielerinnen und sechs Schauspieler zeigten bei der Premiere des Studententheaters ein eindrückliches Werk. Das Spiel war herausfordernd, einerseits im Text, andererseits im Tempo. Doch diese Herausforderung meisterte das Ensemble meisterhaft.
Die Besetzungen, die die Verantwortlichen Barbara und Siegfried Terpoorten zuteilten, erwiesen sich als überaus gelungen. Die Figuren scheinen zu den Spielenden zu passen, die Verkörperungen wirken sehr authentisch. Lisa Rovina in der Rolle der Karoline und Gabriele Barbiero als Kasimir legten grosse schauspielerische Leistungen an den Tag. Für tänzerische und emotionale Überraschungen sorgte besonders Kay Ebener in der Rolle des Merkl Franz.
Aber auch die anderen Rollen trugen alle ihren massgeblichen Teil zur Entwicklung des Stücks bei. Keine Figur scheint überflüssig, jede durchläuft eine individuelle Entwicklung im Laufe der Vorstellung.
Wer sich von der hohen Qualität des Studententheaters selber überzeugen möchte, hat am Sonntag, 20. März um 17.00 Uhr, sowie Freitag und Samstag, 25. und 26. März um jeweils 20.00 Uhr die Möglichkeit dazu.
Orfa Schweizer