Halleluja, ist das eine schräge «Puttig»! Das Theater Leuk feierte am Freitag Premiere mit dem Stück «d’Rufiputtig». Warum die temporeiche Geschichte überzeugt.
Schafft es das eingeübte Theater
ein Publikum zu begeistern? Diese
Frage stellte sich bei jeder Premiere.
Bei der ersten Aufführung
des Stücks «d’Rufiputtig» des
Theaters Leuk wurde der Gradmesser
verschärft durch ein aufziehendes
Gewitter mit Wind und
heftigem Regen. Wenn das Publikum
trotz dieser unwirtlichen
Verhältnisse sitzen bleibt, müssen
sich die Veranstalter um den
Publikumsaufmarsch der nächsten
Aufführungen keine Sorgen
machen; d’Rufiputtig» vermag
zu fesseln.
Bei der «Rufiputtig» ist alles
ein bisschen verrückter, schräger,
als man von einem Dorftheater
erwarten würde. Das Theater
reiht sich in den trashigen Stil
der Serie «Tschugger» und setzt
sogar noch einen drauf. Das ist
nicht der einzige Quervergleich
zur Filmwelt, der sich aufdrängt.
Schon der Ort ist ungewöhnlich.
Das Rufiloch ist ein Steinbruch,
der zu Beginn des 20.
Jahrhunderts vom aus der Tschechei
stammenden Ingenieur Fialowitsch
betrieben wurde. Später
kam das Gelände in den Besitz
der Lonza. Um ins Rufiloch
zu gelangen, heisst es für Besucherinnen
und Besucher ab dem
Bahnhof Leuk, erst einmal 20
Minuten laufen. Auf diesem Weg
begegnen den Zuschauern seltsame
Gestalten. «A gschpässigi
Puttig», eine komische Gesellschaft
ist da unterwegs.
In der von Menschenhand
und schwerem Gerät geschaffenen
Arena des Rufilochs steht
ein in die Jahre gekommener
Wohnwagen. Doch ein einladender
Campingplatz ist das nicht.
Das macht gleich zu Beginn des
Theaters das Zwillingspaar Angela
und Martina Spadaro klar.
Die beiden Mädchen erinnern
an die unheimlichen «Shining»
-Zwillinge, die mit Jack Nicholson
ihr Unwesen in einem verlassenen
Hotel trieben. Sie schlagen
potenzielle Campinggäste mit
ihrer Attitüde effizient in die
Flucht.
Von Eremiten und
Lonza‑Boom
Doch was treiben diese Gestalten
im Rufiloch? Andrea Steiner,
Fabienne Schmidt und Brunhilde
Matter spielen die drei Campingbesitzerinnen.
Die Frauen
und ihre Kinder scheinen niemanden
auf dem Gelände zu
dulden. Aber halt. Einer ist da
noch. Hoch über dem Campingplatz
mitten in der Geröllwüste
sitzt der Eremit Leander.
Mit knappem Lendenschurz bekleidet
führt er seine spirituellen
Übungen aus und seine Mantras
hallen durch die Gegend. Leander
Meichtry spielt diese Rolle
grossartig. Er macht glauben,
er widme sich schon seit Jahren
nichts anderem als seinen transzendentalen
Übungen.
Die Gespräche der Campingbewohner
drehen sich um den
Lonza-Boom und seine Auswirkungen
auf das Oberwallis.
Erst nach und nach wird klar,
dass der Zweck ihres Aufenthalts
im Rufiloch einer wissenschaftlichen
Arbeit dient. Für die
Versuche stehen sieben Probanden,
oder klarer ausgedrückt Versuchskaninchen,
zur Verfügung.
Sie hausen in einem Stollen, direkt
beim Camping. Nur zu Kontrollzwecken
dürfen sie ans Tageslicht.
Mit dem Auftritt der
Versuchskaninchen wird die Geschichte
richtig skurril. An Bäuchen
wachsende Körperteile wie
Lippen, Brüste, Muskeln machen
klar, worum es hier geht: Der
Verkauf von künstlich erzeugten
Körperteilen soll zum grossen
Geschäft werden. Doch so einfach
ist das nicht. Denn es läuft
nicht alles wie geplant.
Versuchsreihe ausser
Kontrolle
An der temporeichen Geschichte
hätte der Filmregisseur Quentin
Tarantino seine helle Freude.
Eine Velogruppe schlägt ihre
Zelte auf, ein krimineller Akt
wird geplant, die Lonza rückt ins
Visier der Forscherin, eine Kantonspolizistin
ist in eine amouröse
Beziehung mit einem Campingbewohner
verstrickt, ein Isländer,
mit weissem Haar, ohne
Hunger, mit übermenschlicher
Beweglichkeit verliert einen Finger
und die Versuchsreihe gerät
völlig ausser Kontrolle …
«d’Rufiputtig» überzeugt
als Ganzes. Das Theater basiert
auf der humorvollen Geschichte
der Autorenschaft Lothar
Berchtold, Barbara Terporteen
und Philipp Strengle. Gespickt
ist das Stück mit vielen
Anspielungen auf die aktuelle
Situation im Oberwallis.
Inszeniert wurde das Freilichttheater
von Barbara Terpoorten
und Siegfried Terpoorten
in Kipp-Klapp-Bilderbuchmanier.
Bei jeder Szene wartet
Unvorhergesehenes.
Beeindruckend ist die Leistung
des Ensembles, das sich ausschliesslich
aus Laiendarstellern
zusammensetzt. Da sind unter
anderen Jonas Jossen, der den
gechillten Jüngling gibt, Kay Ebener,
der mit seinen Körperverrenkungen
für Aufsehen sorgt, die
drei Campingbesitzerinnen, die
ihr dominantes Handeln glaubwürdig
verkörpern, die Polizistinnen
Sabrina Witschard und Joëlle
Imhof, die an Coolness nicht zu
übertreffen sind.
Die Spielfreude ist auch
den Versuchskaninchen Flavian
Kippel, Bruno Grichting,
Armandine Rossacher, Lars
Witschard, Judith Zumstein,
Christoph Steiner und Samantha
Grichting anzumerken. Sie
verkörpern ihre Rollen mit
Sinn für Komik gekonnt. Für
das Bühnenbild und die Kostüme
zeichnet Laura Locher verantwortlich.
Die von ihr gewählte
Ästhetik bringt das Skurrile
der Handlung voll zum Ausdruck.
Doch für das Theater
sind die weiteren Nebenrollen,
Statistinnen und Statisten
und die vielen helfenden Hände
hinter den Kulissen genauso
von Bedeutung.
Auf dem Rückweg zum
Bahnhof begleiteten die Theaterbesucherinnen
und -besucher
jede Menge bunter Bilder des
Gesehenen und es blieb Zeit, das
Theater Revue passieren zu lassen.
Bei diesen Weggesprächen
hallten noch viele Lacher durch
die Nacht.