terpoorten regie


D'Rufiputtig - 2023

Theater Leuk

Schauspieler*innen
Andrea Steiner, Fabienne Schmidt, Brunhilde Matter, Angela Spadaro, Martina Spadaro, Jael Glenz-Ritz, Soraya Locher, Jonas Jossen, Flavian Kippel, Bruno Grichting, Armandine Rossacher, Lars Witschard, Judith Zumstein, Christof Steiner, Samantha Grichting, Leander Meichtry, Sabrina Witschard, Joëlle Imhof, Chantal Constantin-Seewer, Christine Seipelt, Christoph Schärli, Kay Ebener, Lisa-Jil Beier, Arnold Steiner, Dominique Russi, Franziska Bernardi, Peter Witsch

Regie
Barbara und Siegfried Terpoorten

Autor*innen
Barbara Terpoorten, Philipp Stengele und Lothar Berchtold

Kostüm- und Bühnenbildberaterin
Laura Locher



Canal9


Kritiken



Halleluja, ist das eine schräge «Puttig»! Das Theater Leuk feierte am Freitag Premiere mit dem Stück «d’Rufiputtig». Warum die temporeiche Geschichte überzeugt.

Schafft es das eingeübte Theater ein Publikum zu begeistern? Diese Frage stellte sich bei jeder Premiere. Bei der ersten Aufführung des Stücks «d’Rufiputtig» des Theaters Leuk wurde der Gradmesser verschärft durch ein aufziehendes Gewitter mit Wind und heftigem Regen. Wenn das Publikum trotz dieser unwirtlichen Verhältnisse sitzen bleibt, müssen sich die Veranstalter um den Publikumsaufmarsch der nächsten Aufführungen keine Sorgen machen; d’Rufiputtig» vermag zu fesseln.
Bei der «Rufiputtig» ist alles ein bisschen verrückter, schräger, als man von einem Dorftheater erwarten würde. Das Theater reiht sich in den trashigen Stil der Serie «Tschugger» und setzt sogar noch einen drauf. Das ist nicht der einzige Quervergleich zur Filmwelt, der sich aufdrängt. Schon der Ort ist ungewöhnlich. Das Rufiloch ist ein Steinbruch, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom aus der Tschechei stammenden Ingenieur Fialowitsch betrieben wurde. Später kam das Gelände in den Besitz der Lonza. Um ins Rufiloch zu gelangen, heisst es für Besucherinnen und Besucher ab dem Bahnhof Leuk, erst einmal 20 Minuten laufen. Auf diesem Weg begegnen den Zuschauern seltsame Gestalten. «A gschpässigi Puttig», eine komische Gesellschaft ist da unterwegs.
In der von Menschenhand und schwerem Gerät geschaffenen Arena des Rufilochs steht ein in die Jahre gekommener Wohnwagen. Doch ein einladender Campingplatz ist das nicht. Das macht gleich zu Beginn des Theaters das Zwillingspaar Angela und Martina Spadaro klar. Die beiden Mädchen erinnern an die unheimlichen «Shining» -Zwillinge, die mit Jack Nicholson ihr Unwesen in einem verlassenen Hotel trieben. Sie schlagen potenzielle Campinggäste mit ihrer Attitüde effizient in die Flucht.

Von Eremiten und Lonza‑Boom
Doch was treiben diese Gestalten im Rufiloch? Andrea Steiner, Fabienne Schmidt und Brunhilde Matter spielen die drei Campingbesitzerinnen. Die Frauen und ihre Kinder scheinen niemanden auf dem Gelände zu dulden. Aber halt. Einer ist da noch. Hoch über dem Campingplatz mitten in der Geröllwüste sitzt der Eremit Leander. Mit knappem Lendenschurz bekleidet führt er seine spirituellen Übungen aus und seine Mantras hallen durch die Gegend. Leander Meichtry spielt diese Rolle grossartig. Er macht glauben, er widme sich schon seit Jahren nichts anderem als seinen transzendentalen Übungen.
Die Gespräche der Campingbewohner drehen sich um den Lonza-Boom und seine Auswirkungen auf das Oberwallis. Erst nach und nach wird klar, dass der Zweck ihres Aufenthalts im Rufiloch einer wissenschaftlichen Arbeit dient. Für die Versuche stehen sieben Probanden, oder klarer ausgedrückt Versuchskaninchen, zur Verfügung.
Sie hausen in einem Stollen, direkt beim Camping. Nur zu Kontrollzwecken dürfen sie ans Tageslicht. Mit dem Auftritt der Versuchskaninchen wird die Geschichte richtig skurril. An Bäuchen wachsende Körperteile wie Lippen, Brüste, Muskeln machen klar, worum es hier geht: Der Verkauf von künstlich erzeugten Körperteilen soll zum grossen Geschäft werden. Doch so einfach ist das nicht. Denn es läuft nicht alles wie geplant.

Versuchsreihe ausser Kontrolle
An der temporeichen Geschichte hätte der Filmregisseur Quentin Tarantino seine helle Freude. Eine Velogruppe schlägt ihre Zelte auf, ein krimineller Akt wird geplant, die Lonza rückt ins Visier der Forscherin, eine Kantonspolizistin ist in eine amouröse Beziehung mit einem Campingbewohner verstrickt, ein Isländer, mit weissem Haar, ohne Hunger, mit übermenschlicher Beweglichkeit verliert einen Finger und die Versuchsreihe gerät völlig ausser Kontrolle … «d’Rufiputtig» überzeugt als Ganzes. Das Theater basiert auf der humorvollen Geschichte der Autorenschaft Lothar Berchtold, Barbara Terporteen und Philipp Strengle. Gespickt ist das Stück mit vielen Anspielungen auf die aktuelle Situation im Oberwallis. Inszeniert wurde das Freilichttheater von Barbara Terpoorten und Siegfried Terpoorten in Kipp-Klapp-Bilderbuchmanier. Bei jeder Szene wartet Unvorhergesehenes.
Beeindruckend ist die Leistung des Ensembles, das sich ausschliesslich aus Laiendarstellern zusammensetzt. Da sind unter anderen Jonas Jossen, der den gechillten Jüngling gibt, Kay Ebener, der mit seinen Körperverrenkungen für Aufsehen sorgt, die drei Campingbesitzerinnen, die ihr dominantes Handeln glaubwürdig verkörpern, die Polizistinnen Sabrina Witschard und Joëlle Imhof, die an Coolness nicht zu übertreffen sind.
Die Spielfreude ist auch den Versuchskaninchen Flavian Kippel, Bruno Grichting, Armandine Rossacher, Lars Witschard, Judith Zumstein, Christoph Steiner und Samantha Grichting anzumerken. Sie verkörpern ihre Rollen mit Sinn für Komik gekonnt. Für das Bühnenbild und die Kostüme zeichnet Laura Locher verantwortlich. Die von ihr gewählte Ästhetik bringt das Skurrile der Handlung voll zum Ausdruck. Doch für das Theater sind die weiteren Nebenrollen, Statistinnen und Statisten und die vielen helfenden Hände hinter den Kulissen genauso von Bedeutung.

Auf dem Rückweg zum Bahnhof begleiteten die Theaterbesucherinnen und -besucher jede Menge bunter Bilder des Gesehenen und es blieb Zeit, das Theater Revue passieren zu lassen. Bei diesen Weggesprächen hallten noch viele Lacher durch die Nacht.